TREIBHAUSGAS
Ozeane speichern CO2 tiefer als gedacht
Die
Aufnahmekapazität der Meere für Kohlendioxid ist offenbar größer
als gedacht. Wissenschaftler haben jetzt nachgewiesen, dass gelöstes
Treibhausgas bis in 4500 Meter Tiefe absinkt. Damit einher geht auch eine
Versauerung des Wassers - eine große Gefahr für das biologische
Gleichgewicht.
Gäbe
es die Ozeane nicht, dann wäre der vom Menschen verursachte Klimawandel
bereits heute viel stärker spürbar. Seit Jahrzehnten pusten
Schornsteine und Autos schädliches Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre
- aber immerhin die Hälfte des Gesamtausstoßes ist Schätzungen
zufolge im Meer gelandet. "Ohne die Ozeane wäre der CO2-Anstieg
doppelt so hoch", sagte Toste Tanhua vom Kieler Leibniz-Institut
für Meereswissenschaften IFM-Geomar im Gespräch mit SPIEGEL
ONLINE.
Forschungsschiff "Meteor": Auf CO2-Fahndung im Atlantik
Klicken
Sie auf ein Bild
Tanhua
und seine Kollegen haben die CO2-Aufnahme nun im Atlantik genauer untersucht.
Mit dem Forschungsschiff "Meteor" folgten sie einer Route von
der Karibik bis nach Lissabon, die US-Kollegen bereits 1981 genommen hatten.
Wie damals auch maßen die Forscher die Konzentration gelösten
Kohlendioxids in verschiedenen Wassertiefen.
Dass
die CO2-Werte im Vergleich zu 1981 gestiegen sind, überraschte die
Wissenschaftler kaum. Dafür aber die Tatsache, dass dies selbst in
Tiefen bis 4500 Meter der Fall ist. "Der Aufnahmepuffer für
CO2 in den oberen Meeresschichten verkleinert sich nicht so schnell wie
gedacht", sagte Tanhua. "Das ist sogar eine gute Nachricht."
Kalk im Ozean löst sich auf
Die
Fähigkeit der Ozeane, als Puffer für das Erdklima zu dienen,
sinkt, je mehr CO2 in der obersten Wasserschicht gelöst ist. Wenn
aber mehr CO2 als angenommen in Tiefen von 3000 bis 4500 Metern gelangt,
dann vergrößert sich dieser Puffer.
Der
eigentlich nützliche Effekt hat jedoch auch negative, bislang kaum
überschaubare Auswirkungen auf das Leben unter Wasser. Gelöstes
CO2 führt zu einer Versauerung des Wassers - mit alarmierenden Folgen
für die Organismen. Kalkbildner wie Korallen, aber auch manche mikroskopisch
kleinen Planktonarten haben immer mehr Schwierigkeiten, ihre Skelette
zu bilden, berichten die Wissenschaftler im Magazin "PNAS" (Online-Vorabveröffentlichung).
Weil diese am Anfang der Nahrungskette stünden, habe die Entwicklung
weitreichende Folgen für ganze Ökosysteme im Meer.
Die
neue Studie weise erstmals nach, mit welch hohem Tempo dieser Prozess
schon vorangeschritten ist. "Unsere Daten zeigen, dass sich die Tiefe,
unter der sich Kalk im Ozean auflöst, in den letzten 200 Jahren um
ganze 400 Meter nach oben verlagert hat", erklärte Douglas Wallace,
Mitautor der Studie. "Wir sind dabei, die Chemie des Ozeans auf eine
dramatische Art und Weise zu verändern." Im Pazifik schafften
es einige Korallenarten, mit der Versauerung umzugehen, sagte Tanhua.
Wie die Lage im Atlantik sei, wisse man aber noch nicht.
Greift der Klimaschutz wirklich?
Bei
ihren Messungen nutzten die Forscher eine in Kiel entwickelte Methode,
die eine Art CO2-Kartierung des Ozeans erlaubt. "Wir waren überrascht,
wie überzeugend unsere Methode zeigte, dass CO2 tatsächlich
aus der Oberfläche in tiefere Schichten gelangt und dort gespeichert
wird", sagte Tanhua.
Das
viele Kohlendioxid, das in den vergangenen Jahrzehnten im Meer gespeichert
wurde, wird dort nicht auf alle Ewigkeit gelöst bleiben. "Das
CO2 kommt auf jeden Fall wieder zurück in die Atmosphäre",
erklärte Tanhua. Dies dauere wegen der langen Zyklen jedoch Hunderte
oder Tausende Jahre.
Die
Kieler Wissenschaftler wollen ihre Messmethode auch bei Fahrten in anderen
Ozeanen nutzen, um dort Veränderungen des CO2-Haushaltes zu erfassen.
Mit fortlaufenden Messungen könne man die Verteilung und Konzentration
von CO2 im Ozean der Zukunft beobachten, sagte Wallace. "Dies dient
als Hinweis dafür, ob globale Maßnahmen zur Eindämpfung
des Treibhauseffekts tatsächlich greifen oder nicht."
Von
Holger Dambeck
Erschienen
bei SPIEGEL Online im Feb. 2007
Samstag, der 02.
Juli 2022
UKW3 ©
2006-2007
Info@UKW3.net
|